Merkantiler Minderwert

Vorwort:

Entsprechend der gängigen Rechtssprechung wird für ein sach- und fachgerecht instand gesetztes Unfallfahrzeug ein merkantiler Minderwert zugesprochen. Dabei ist es letztendlich nicht entscheidend ob es sich um einen PKW, einen Transporter, ein Nutzfahrzeug oder um einen Caravan im Allgemeinen Sinne handelt.

Dieser Minderwert beruht unter anderem auf den Verdach des verborgenen Mangels, den ein potentieller Käufer eines sach- und fachgerecht instand gesetzten Unfallfahrzeuges erhebt. Hierbei ist das Fahrzeugalter und die Laufleistung nicht mehr derart eingeschränkt, dass 4 Jahren nach der Erstzulassung oder innerhalb dieser 4 Jahre bei einer Laufleistung über 100.000 km kein Anspruch mehr auf den merkantilen Minderwert besteht. Letzteres kann bei einem Wohnwagen nicht nachvollzogen werden.

Betrachtet man sich die Definition „Verdacht auf verborgene Mängel“ genauer. Im Prinzip kann bei einem herkömmlichen Fahrzeug wie PKW, Transporter oder Nutzfahrzeug dieser Verdacht mit relativ geringen Mitteln bzw. Arbeitsaufwand entgegen gesprochen werden. Wird z. B. bei einem PKW eine eingeschweißte Seitenwand im Teilersatz erneuert, so kann durch Zuhilfenahme eines Endoskop oder durch entfernen einer Innenverkleidung jederzeit die sach- und fachgerechte Instandsetzung bzw. Erneuerung nachvollzogen werden. Das gleiche gilt für den Verdacht auf eine eventuell zu einem späteren Zeitpunkt eintretende Korrosion.

Bei einer Instandsetzung eines Caravanaufbaues, sei es eine Erneuerung der Außenverblechung, der kompletten Außenwand oder ein Teilersatz derselben, ist die Nachvollziehbarkeit der sach- und fachgerechten Instandsetzung weit aus aufwändiger und in der Regel nicht zerstörungsfrei durchzuführen.  

Um die sach- und fachgerechte Instandsetzung bzw. Erneuerung nachzuvollziehen zu können, wäre es erforderlich, die Kantleisten, Ringanker oder dergleichen, des Aufbaues zu entfernen und oder die Außenverblechung von der Verklebung mit der Isolierung zumindest teilweise zu lösen. Nur dann könnte man die zur sach- und fachgerechten Instandsetzung erforderliche vollflächige Verklebung der Außenwand mit der Isolierung oder die Abdichtung zwischen den Anschlussstellen, z.B. Seitenwand – Dach – Heckwand – Bugwand – Bodengruppe, überprüfen.

Dies kann jedoch nicht Zerstörungsfrei erfolgen. Insofern ist der „Verdacht auf verborgene Mängel“ bei einem Caravanaufbau, Wohnmobil und Wohnwagen weit aus größer. Des weiteren liegt die größte Angst eines potentiellen Käufers in der Undichtigkeit des Aufbaues. Denn Feuchtigkeit kann schnell zum Ende eines jeden Caravans führen. Eine eventuell eingetretene Feuchtigkeit durch eine nicht sach- und fachgerechte Abdichtung kann unter Umständen erst nach Jahren zum Vorschein treten, entweder durch Geruchs- oder Schimmelbildung an den Innenwänden, Zersetzen des Isolationsmaterials oder im schlimmsten Falle durch Korrosion der Aluminiumverblechung, den so genannten „Alufraß“. Bei einer nicht vollflächig verklebten Außenbeplankung (Aluminium oder GFK) kann eine zunächst kleine und immer größer werdende kreisrunde Aufwölbung zum Vorschein treten. Das Lösen der Verklebung bzw. Zersetzen der Isolierung kann zu einem instabilen Zustand des Aufbaues führen. Aber dies alles ist erst nach einem längeren Zeitraum nach der Instandsetzung des Unfallschadens zu bemerken und die Nacharbeit bzw. Behebung der nicht sacht- und fachgerechten Instandsetzung eines Unfallschaden kann durchaus die selben oder im schlimmsten Falle sogar höhere Kosten verursachen als die Unfallinstandsetzung selbst.

Aus diesem Grunde vertritt der Verfasser dieses Wertminderungs-berechnungsmodell die  Meinung, dass auch bei einer sach- und fachgerechten Instandsetzung eines Unfallschadens an einem Caravanaufbau ein Anspruch auf merkantilen Minderwert besteht.

In Anbetracht dessen, dass die Nachvollziehbarkeit der sach- und fachgerechten Instandsetzung bei weitem schwieriger und nicht zerstörungsfrei erfolgt, kann unter umständen der merkantile Minderwert höher ausfallen und auch nach mehr als 5 Jahren Fahrzeugalter zum tragen kommen.

  1. Bemessungsgrundlagen

Welche Grundlagen bzw. Größen nehmen letztendlich Einfluss auf die Ermittlung des merkantilen Minderwertes?  Diese Frage ist im Prinzip relativ einfach zu beantworten.

Betrachtet man sich einmal die Ausgangsstellung eines potentiellen Käufers. Dieser erkundigt sich nach dem Alter und den Angebotspreis des Fahrzeuges, nach dem Allgemeinzustand und erfragt den Reparaturumfang der Unfallinstandsetzung. Die Schadenhöhe spielt hierbei keine bedeutende Rolle.

Der Käufer wird versuchen, den Angebotspreis, je nach Allgemeinzustand des Fahrzeuges mehr oder weniger nach unten hin abzuändern, wobei das Fahrzeugalter, insbesondere beim Caravan, nicht die vorrangigste Stellung bezieht.

Ausschlaggebend ist somit der Fahrzeugwert und der Reparaturumfang.

Im Fahrzeugwert, der gleichzusetzen ist mit dem Wiederbeschaffungswert vor Eintritt des Schadenereignisses, sollten bereits alle notwendigen Faktoren berücksichtigt sein.

Diese Einflussgrößen für die Wertermittlung sind das Fahrzeugalter, der allgemeine Pflege- und Erhaltungszustand, wobei hier insbesondere beim Caravan der Zustand des Wohnraumes zu berücksichtigen ist, die Marktgängigkeit und die Nutzungsart (Standwohnwagen, Reisecaravan, Schaustellerfahrzeug oder dergleichen). In dem korrekt ermittelten Fahrzeugwert sind auch eventuell vorhandene Alt- und Vorschäden zu berücksichtigen, sofern diese dem Sachverständigen zum Zeitpunkt der Bewertung bekannt sind.

  1. Berücksichtigung von Alt- / Vorschäden.

Nach Auffassung des Verfassers erübrigt sich ein prozentualer Abschlag bei der Festlegung der Bemessungsgrundlage entsprechend der Bewertungstabelle für eventuell vorhandene und / oder bekannt gewordene, bereits instand gesetzte Schäden, die sich außerhalb des jetzigen Schadensbereiches befinden. Diese Alt- / Vorschäden sind in der korrekten Ermittlung des Fahrzeug- / Wieder-beschaffungswertes zu berücksichtigten.

Befand sich in der jetzigen Schadenzone bereits ein behobener Schaden, so ist vom Bewerter genauestens zu hinterfragen, um welche Beschädigung es sich handelte, welche Reparatur bzw. Instandsetzung durchgeführt wurde und wann der Zeitpunkt dieses Schadeneintrittes war. Sind diese Fakten bekannt, so ist abzuwägen, ob das neue Schadenausmaß einen größeren merkantilen Minderwert für das zu bewertende Fahrzeug darstellt oder nicht. D.h. war der instand gesetzte Schadensumfang größer oder bedeutender als der neu eingetretene Schaden, so ist kein merkantiler Minderwert anzusetzen. Hierzu kann es hilfreich sein, den merkantilen Minderwert für den bereits behobenen Schaden separat zu ermitteln.

Stellt sich bei diesem Vergleich heraus, dass das jetzige Schadenereignis einen höheren Minderwert darstellt, so ist mindestens die Differenz aus beiden Summen, maximal 50% des ermittelten Minderwertes für das neue Schadenereignis als merkantilen Minderwert in Ansatz zu bringen.

  1. Reparaturumfang

Der Reparaturumfang ist entsprechend dem vorgegebenen Reparaturweg zu beurteilen. Dieser Reparaturumfang wurde in mehreren Kategorien entsprechend der Beschädigungsschwere unterteilt, sodass sich hieraus eine prozentuale Ermittlung des merkantilen Minderwertes ableiten lässt.

5.            Kategorien / Tabelleneinteilungen

Klasse 1:

Die Klasse 1 beschränkt sich auf Unfallschäden die nur die Erneuerung von  Anbauteilen betrifft und das Abdichten derselben beinhalten. Derartige Anbauteile sind unter anderem Aufbaudichtleisten, Aufbaufenster mit Fensterrahmen, Wohnraumtüre inkl. Türrahmen, Stauraumklappen inkl. Klappenrahmen, Rückleuchtenträger und dergleichen.

Die alleinige Erneuerung von Fensterscheiben, Luken, Türen oder Stauraumklappen ohne Dichtrahmenerneuerung führt in der Regel zu keinem merkantilen Minderwert.

Klasse 2:

Die Klasse 2 kommt zum Ansatz bei der Erneuerung von Achsteilen, Zugdeichselholmen oder Rahmenlängsträger ohne weitere Beschädigungen an Aufbauwände, Dach oder Bodengruppe. Bei den vorgenannten Fahrzeugteilen handelt es sich um reine Schraubteile.

Klasse 3.0

Die Klasse 3.0 ist anzuwenden bei einer Instandsetzung (nicht Erneuerung) einer Außenverblechung. Es spielt dabei keine Rolle ob es sich um Glatt- oder Strukturblech handelt. Ausschlaggebend für die Anwendung dieser Klasse ist, dass die Verblechung nicht durchstoßen bzw. aufgerissen ist.

Klasse 3.1

Die Klasse 3.1 berücksichtigt die Erneuerung einer kompletten Sandwichwand oder eines kompletten Sandwichdaches. Bei der prozentualen Minderwertermittlung ist diese Instandsetzung mit einem geringeren Prozentsatz zu bewerten als die Erneuerung der Außenhaut. Dies geschieht vor dem Hintergrund, da eine komplette Sandwichwand oder ein komplettes Sandwichdach direkt vom Hersteller als ein Ersatzteil bezogen wird und somit der Verdacht auf eine eventuelle nicht vollflächige Verklebung der einzelnen Komponenten entfällt, es verbleibt nur der Verdacht auf Undichtigkeiten im Bereich der Anbauteile (Leisten, Fenster usw.).

Klasse 4.0

Die Klasse 4.0 wird angewandt bei Erneuerung der Außenverblechung (Seitenwand oder Dach). Eine Beschädigung der Innenwand oder des Daches im Innenbereich darf nicht vorliegen. Bei einer zwei- oder mehr geteilten Außenverblechung kann auch nur eine zur Erneuerung vorgesehen sein, damit die Klasse 4.0 zur Anwendung kommt.

Eine Erneuerung der Außenverblechung ist mit einem höheren Minderwert zu berücksichtigen als eine Kompletterneuerung der Außenwand oder des Daches. Dies darauf zurückzuführen, da bei einer einzelnen Blecherneuerung eine vollflächige Verklebung mit den anderen Komponenten (Isolierung) nicht gewährleistet werden kann und damit einen höheren Verdacht auf verborgene Mängel darstellt.

Klasse 5.0

Diese Klasse berücksichtigt Beschädigungen, bei denen die Außenwand mit einem Durchstoß der Außenverblechung instand gesetzt oder im Teilersatz (Außenverblechung – Isolierung) erneuert wird. Die Innenwand ist nicht beschädigt und bleibt im Original enthalten.

Klasse 6.0

Die Klasse 6.0 findet Anwendung, wenn es sich um einen Durchstoß oder Aufriss der Außenverblechung und der Innenwand handelt und die Instandsetzung durch einen kompletten Teilersatz der Beschädigungszone (Außenverblechung – Isolierung – Innenwand) vorgegeben wird. Die Größe des Teilersatzes ist dabei nicht unbedingt ausschlaggebend.

Klasse 6.1

Die Klasse 6.1 berücksichtigt bei der Instandsetzung der Beschädigung die Erneuerung einer kompletten Außenwand und einem Teilersatz der Bodengruppe.

Nur bei diesem Instandsetzungsweg ist die Klasse 6.1 in Ansatz zu bringen. Bei anderen Schadenkonstellationen (schadenbedingte Mehrfachbeschädigungen) ist wie folgt vorzugehen.

  1. Berücksichtigung von mehreren Beschädigungen - Z-Wert -

Ist das Unfallfahrzeug mit mehreren Schäden an verschiedenen Stellen behaftet so ist bei der Ermittlung des merkantilen Minderwertes wie folgt zu verfahren:

Berechnungsklasse 1 bis 5

Kann unter Berücksichtigung der Wirtschaftlichkeit die Außenverblechung bei mehreren Einzelbeschädigungen instand gesetzt und lackiert werden, oder sind mehrere Verblechungen, z.B. Heck- und Seitenwandverblechung, zu erneuern, so ist hierfür die entsprechende Klasse der Berechnungstabelle für Einzelbeschädigung zu berücksichtigen und der prozentuale Wert um den Z-Wert (1,0% bis 2,5%) zu erhöhen.

Eine Verdoppelung des %-Wertes bei zwei Beschädigungen oder Verdreifachung bei drei Beschädigungen usw. an der/den Außenverblechungen, die instand gesetzt oder erneuert werden, würde zu einem überhöhten merkantilen Minderwert führen. Der nicht dem Marktverhalten eines potentiellen Käufers entsprechen würde.

Sind mehrere Beschädigungen an einer Außenverblechung und wird unter Berücksichtigung der Wirtschaftlichkeit die Verblechung insgesamt erneuert, so darf der %-Wert entsprechend der Tabelle nicht erhöht werden, da hier nur die Erneuerung der Verblechung und nicht die Anzahl der Einzelbeschädigungen zum tragen kommt.

Berechnungsklasse 6

In der Berechnungsklasse 6 entfällt die Erhöhung des %-Wertes wenn sich die Beschädigungen auf den dort beschriebenen Instandsetzungsweg beschränken.

Betreffen die Beschädigungen weitere Fahrzeugteile als die, die in dieser Einteilung beschrieben sind, so kann auch dieser %-Wert um den Z-Wert (1,0% - 2,5%) erhöht werden.

  1. Schlusswort:

Grundvoraussetzung zur Ermittlung des merkantilen Minderwertes ist die genaue Berechnung des Fahrzeug- / Wiederbeschaffungswertes. Hierfür ist eine gründliche Begutachtung und Untersuchung des Fahrzeuges und des Wohnaufbaues unabdingbar. Durch eine nicht korrekte Ermittlung des Fahrzeugwertes ergibt sich in der Folge auch eine unkorrekte und nicht marktgerechte Festlegung des merkantilen Minderwertes.

Dieses Berechnungsmodell zur Ermittlung des merkantilen Minderwertes wurde speziell und ausschließlich für Wohnwagen und Wohnmobilaufbauten entwickelt.  Es handelt sich hierbei um einen rein rechnerischen Vorgang, der den Anwender bei der Beurteilung des Minderwertes unterstützen soll.

Die endgültige Entscheidung bei der Festlegung des merkantilen Minderwertes kann auch dieses Modell dem anwendenden Sachverständigen nicht abnehmen.

 

      Berechnungstabelle zur Ermittlung des merkantilen Minderwertes:

 

 

Die Berechnungstabelle des merkantilen Minderwertes für Caravan, Wohnwagen, Wohn- und Reisemobile kann beim Urheber: Felix Hoffmann per Mailanfrage unter info@fshoffmann.de von Sachverständigenkollegen gegen einem kleinen Unkostenbeitrag von 50,00 EUR zzgl. MwSt. angefordert werden.